Boxeraufstand, Der Krieg in China

Boxeraufstand, der Krieg in China 1900/01

Boxeraufstand, der Krieg in China 1900/01 in zeitgenössischen Texten, Bildern und Postkarten in einer zusammenfassenden Übersicht.

Der Krieg in China - Chin Chin Chinamann ist ein armer Tropf, jedermann beutelt ihn gar zu gern beim Schopf.
Der Krieg in China – Chin Chin Chinamann ist ein armer Tropf, jedermann beutelt ihn gar zu gern beim Schopf.

Vorgeschichte der Boxeraufstandes

Der Boxeraufstand hat eine längere Vorgeschichte. China war von jeher ein sehr interessantes Ziel für Kaufleute und Händler aus aller Herren Länder. Die Zulassung der Portugiesen zum Handel in Macao (seit 1517), die Verwendung einiger Jesuiten im Staatsdienste (seit 1580), die feindlichen Berührungen mit japanischen Piratenbanden (seit 1552) und selbst der gegen die japanische Heeresmacht in Korea durchgeführte Kampf (1592-1598) sind aber auf die innere Entwickelung Chinas ohne Einfluss geblieben. Jeder direkte Verkehr mit Japan wurde verboten und den Spaniern, Holländern und Engländern das Handels- und Niederlassungsrecht verweigert. Unter Kaiser Daoguang (Taokwang), 1820-50, kam es seit 1834 zu Differenzen mit den Engländern, die wegen des Verbotes des Opiumhandels von 1840 an zum sogenannten Opiumkrieg führten und China zwangen, im Frieden zu Nanking (26. August 1842), den Engländern fünf Häfen zu öffnen und ihnen Hongkong abzutreten. Unter Kaiser Xianfeng (Hien-föng), 1851-61, unternahmen 1851 die Taiping, Anhänger einer neuen schwärmerischen Sekte im Süden des Reichs, einen gefährlichen Aufstand und bemächtigten sich 1853 Nanjing (Nankings); erst 1864 gelang es, den Aufstand völlig zu unterdrücken.

Chinesisches Reich 1914
Chinesisches Reich 1914

Als Großbritannien und Frankreich die Verträge von 1856 verletzt sahen, kam es zu einem neuen Krieg, in dessen Verlauf im Oktober 1860 Peking besetzt und die kaiserlichen Sommerpaläste von den Franzosen geplündert wurden. Im Frieden vom 2. November 1860 musste China sich zu der Zulassung europäischer Gesandten in Peking einverstanden erklären. Schon 1858 hatte China an Russland das Amurland abtreten müssen. Auf Kasier Xianfeng (Hien-föng) folgte sein fünfjähriger Sohn Tongzhi (Tung-tschi), 1861-75, unter Vormundschaft des Prinzen Gong (Kung). Unter seiner Regierung ging 1862-65 durch islamische Aufständische fast ganz Ostturkestan für China verloren. Kaiser Tongzhi (Tung-tschi) starb schon am 12. Januar 1875; sein Nachfolger wurde sein vierjähriger Vetter Guangxu (Kwang-sü). Ein drohender Krieg mit Russland wegen des Kuldschagebietes wurde 1882 durch einen Vertrag abgewendet, dagegen kam es wegen Tonkin (Tongking) 1882 zu Feindseligkeiten mit Frankreich. Erst am 9. Juni 1885 wurde der Friede zu Tianjin (Tientsin) geschlossen, in welchem China auf die Oberherrschaft über Annam und Tongking (heutiges Vietnam) völlig verzichtete. 1889 übernahm Guangxu (Kwang-sü), der bis dahin unter der Vormundschaft seiner Tante Cixi (Tsu-hsi) gestanden hatte, die Regierung selbst. 

China 1914
China 1914

Die Rivalität zwischen China und Japan um den Einfluss in Korea verursachte 1894 einen Krieg zwischen beiden Mächten. General Jamagata verdrängte die Chinesen durch die Schlacht bei Pingjang (16. September) aus Korea; am 17. September wurde die chinesische Flotte an der Mündung des Jalukiang (Yalu bzw. Amnokkang) geschlagen. Schlussendlich eroberten die Japaner die Kriegshäfen Port Arthur (heutiges Lüshunkou) am 24. November und Weihaiwei (heutiges Weihai) am 13. Februar 1895, worauf sich China zum Frieden von Schimonoseki (17. April) entschied, indem es die Halbinsel Liautung (Liaodong), Formosa (Taiwan) und die Pescadoresinseln an Japan abtrat. Die Abtretung Liautungs (Liaodong) wurde jedoch durch das Einschreiten Russlands, Deutschlands und Frankreichs wieder rückgängig gemacht. Dafür verpachtete China 1898 Kiautschou an Deutschland, Kwantung an Russland, Kwangtschouwan an Frankreich, und auch England erhielt eine Vergrößerung von Hongkong und Weihaiwei als Pachtgebiet. Die Niederlage Chinas zwangen den jungen Kaiser zu Reformen; damit stieß er aber auf den Widerstand des gesamten Mandarinentums, so dass sich die ehemalige Kaiserin-Regentin Cixi (Tsu-hsi) am 22. September 1898 wieder zur Mitregentin ernennen lassen und die Leitung der Regierung an sich reißen konnte. Von ihr begünstigt, gewann die fremdenfeindliche Bewegung des Geheimbundes der Tachuan oder Boxer große Ausdehnung in Nord-China.

Umgebung von Peking und Tientsin 1900
Umgebung von Peking und Tientsin 1900

Boxeraufstand

Die charakteristischste Erscheinung dieser Reaktionsperiode war die Ausbreitung der sogenannten Boxerbewegung. Dies ist keineswegs, wie oft behauptet wird, eine Erneuerung oder Erweiterung der vielen geheimen Gesellschaften, die es in China gibt. Vielmehr muss man darin eine patriotisch-pädagogische Organisation anerkennen, die in ihren Ursprüngen mit den Jahnschen Turngemeinden in Deutschland eine gewisse Analogie hat. Ihr Begründer ist der ehemalige Gouverneur von Schantung (Shandong), Li Ping Heng, der auf Deutschlands Verlangen abgesetzt wurde, aber wegen seiner Gelehrsamkeit und seines Charakters den Ruf eines Weisen hatte. 

Boxeraufstand im Himmlischen Reich, allgemeines Erwachen (der europäischen Staatsoberhäupter)
Boxeraufstand im Himmlischen Reich, allgemeines Erwachen (der europäischen Staatsoberhäupter)

Er organisierte von seinem Privathaus in Tschili aus Vereine von Knaben der gebildeten und wohlhabenden Klassen, die gemeinschaftlich mit roten Abzeichen auszogen, Freiübungen machten, vor kleinen Altären Formeln hersagten und in Mysterien eingeweiht wurden; auch Mädchen wurden zugelassen. Je 500 wurden in eine Kompagnie vereinigt, die zusammen essen, schlafen und exerzieren unter einem Anführer, dem sie Gehorsam schwören müssen. Dass dies zur Vorbereitung des Kampfes gegen die ausländischen Mächte und aller fremden Einflüsse geschah, wurde offen verkündigt. Der Name der Vereinigung I-Ho-Tuan oder I-Ho-Tschuen (Yihequan) bedeutet „Freiwillige patriotische Vereinigung“. Von Engländern, die ihre Exerzitien sahen, wurde die Bezeichnung „Boxerdrill“ bzw. kurz „Boxer“ in Umlauf gebracht, die dann in Europa zu vielen Missverständnissen führten. Der Fanatismus dieser Scharen wurde durch den Aberglauben genährt, dass die höheren Mysterien der Vereinigung den Eingeweihten Unverwundbarkeit verleihen. Im Mai 1899 sind die ersten Übungen dieser Art beobachtet worden.

Gruss vom Kriegs-Schauplatz, Geheimbund gegen die Civilisation (Kaiserin-Regentin Cixi und Li-Hung-Tschang)
Gruss vom Kriegs-Schauplatz, Geheimbund gegen die Civilisation (Kaiserin-Regentin Cixi und Li-Hung-Tschang)

Da sich der Hass dieser Fanatiker besonders gegen einheimische Christen, Missionsstationen, Eisenbahnen und Telegraphen richtete, kam es beim Bau der neuen Linien bald zu Ausschreitungen und Blutvergießen. Es gesellten sich Erwachsene, meist schlimmster Sorte, mit Messer und Speer bewaffnet und roter Kopfbinde und rotem Gürtel versehen, den enthusiasmierten Kindern bei. Die ausländischen Gesandten in Peking verlangten das Verbot dieser Übungen; aber in den kaiserlichen Edikten vom 24. Januar und 29. Mai 1900 wurden nur die schlechten Beimischungen der Vereinigung als strafwürdig hingestellt. Selbst bei Hofe gaben Boxer Vorstellungen in ihrer Kunst, und der junge Thronfolger nebst seinen Spielgenossen erhielten ebenfalls Unterricht in diesen Übungen. Prinz Zaiyi (Tuan) war der Protektor der ganzen Bewegung, die sich schnell von Stadt zu Stadt verbreitete. 

Der Krieg in China. "Bitte, meine Herren, keine plumpen Vertraulichkeiten!"
Der Krieg in China. „Bitte, meine Herren, keine plumpen Vertraulichkeiten!“

Die große Dürre des Frühjahrs 1900 und die dadurch verursachte Missernte erhöhte die Gefahr. Schon Ende Mai mussten die ausländischen Ingenieure der im Bau begriffenen Eisenbahn nach Wuhan (Hankau) flüchten. Eisenbahnstationen und Missionshäuser wurden verbrannt, Missionare und chinesische Christen getötet. Die Gesandten in Peking ließen im Einverständnis mit dem Zongli Yamen (Tsungli Yamen), dem chinesischen Auswärtigen Amt, am 31. Mai mit der Bahn von Taku aus, wo die ausländischen Kriegsschiffe ankerten, 340 Seesoldaten zum Schutze der Legationen kommen, denen drei Tage darauf 35 Österreicher und 45 Deutsche folgten. Da es aber bekannt wurde, dass die Kaiserin-Witwe von dem fremdenfeindlichen General Dong Fuxiang (Tung Fuhsiang) die Zusicherung erhalten hatte, dass er imstande sei, den Ausländern erfolgreich zu widerstehen, und dass sie den Truppen den Befehl gegeben hatte, in keinem Fall auf die Boxer zu schießen, erbaten die Gesandten von den Befehlshabern der vor Taku vereinigten Flotten am 8. und 9. Juni neue Verstärkungen.

Der Krieg in China: John Bull (Engländer) sitzt durch den Burenkrieg in Südafrika in der Falle und kann nur zuschauen und mit den Zähnen knirschen.
Der Krieg in China: John Bull (Engländer) sitzt durch den Burenkrieg in Südafrika in der Falle und kann nur zuschauen und mit den Zähnen knirschen.

Die Rückkehr des Hofes trotz der Hitze am 8. Juni und die Ernennung des Prinzen Zaiyi (Tuan) zum Präsidenten des Zongli Yamen (Tsungli Yamen), dem chinesischen Außenministerium, am 10. Juni waren beunruhigende Anzeichen. Mit nicht weniger als 2000 Mann aller Nationen, darunter 200 Deutschen (The Germans to the front), fuhr Admiral Seymour am 10. Juni per Bahn bis zur Station Lanfang, wo er wegen der Zerstörung des Bahnkörpers Halt machen und Reparaturen vornehmen lassen musste. Er wurde dabei von den Boxern so attackiert, dass er sich entschloss, nach Tianjin (Tientsin) zurück zu marschieren. 

Sir Edward Hobart Seymour

Sir Edward Hobart Seymour
* 30.04.1840 in Kinwarton,
† 02.03.1929 in Maidenhead;
Admiral der britischen Royal Navy

Seit 12. Juni waren die Gesandten in Peking von allem Verkehr mit der Außenwelt abgeschnitten. Da entschlossen sich die sämtlichen Kommandanten der Kriegsschiffe vor Taku, mit Ausnahme der US-Amerikaner, am 16. Juni durch die Konsulate das Ultimatum an den Befehlshaber der Takuforts zu stellen, ihnen bis 17. Juni 2 Uhr morgens die Forts zu übergeben. Es lagen bereits 7 Kanonenboote (u.a. das deutsche Kanonenboot S.M.S. Iltis) im Fluss Peiho oberhalb der Takuforts, also an ihrer schwächsten Seite, und zu einem eventuellen Sturm waren Truppen gelandet worden. Der chinesische Kommandant ging auf die Forderung nicht ein, sondern eröffnete das Feuer. Um 7 Uhr morgens waren die Forts nach schwerem Kampf genommen. 

Der Krieg in China: Die Aufteilung des chinesischen Drachens, Kosake (Russe) zu John Bull (Engländer): Nur anschauen, aber nicht anfassen.
Der Krieg in China: Die Aufteilung des chinesischen Drachens, Kosake (Russe) zu John Bull (Engländer): Nur anschauen, aber nicht anfassen.

Jetzt stellte sich die Regierung in Peking auf den Standpunkt, dass sie mit allen Vertragsmächten im Kriegszustand war. Sie forderte deshalb die Gesandten am 19. Juni um 4 Uhr nachmittags auf, Peking binnen 24 Stunden zu verlassen und gab den Truppen Befehl gegen Admiral Seymour zu kämpfen. Der deutsche Gesandte von Ketteler, der am Vormittag des 20. Juni sich nochmals zum Tsungli Yamen begeben wollte, wurde auf dem Wege von einem chinesischen Soldaten erschossen. 

Klemens von Ketteler

Klemens August Freiherr von Ketteler
* 22.11.1853 in Potsdam,
† 20.06.1900 in Peking ermordet;
deutscher Diplomat

Pünktlich um 4 Uhr eröffneten die Chinesen das Feuer auf die verbarrikadierten englischen, deutschen, amerikanischen und russischen Gesandtschaften und einige in die Verteidigung hineingezogene Nachbargebäude. Mit zwei kurzen Unterbrechungen währte dieser ungleiche Kampf acht Wochen lang. Es ist außer Zweifel, dass die eingeschlossenen 700 Europäer und Japaner und 6000 Chinesen ihre Rettung nur den Schwankungen innerhalb des Palastes und der höchsten Regierungsämter verdanken. Inzwischen war der Kampf um Tianjin (Tientsin) bereits zugunsten der Verbündeten entschieden. Die Auslandsniederlassung wurde von 1400 Soldaten (meist Russen) standhaft verteidigt. Die neu ankommenden Verstärkungen konnten zunächst Seymour befreien (25. Juni) und dann, 7000 Mann stark, die chinesischen Truppen aus der umwallten Chinesenstadt verdrängen (14. Juli). Da jetzt auch eine Division aus Japan herankam, konnte der Vormarsch gegen Peking beginnen. Am 13. August wurde die Stadt von 20.000 Mann erreicht, am 14. August genommen, wobei nur an einem Tor ein heftiger Kampf stattfand. Die Deutschen gelangten erst am 18. August in Peking an.

Klemens Freiherr von Ketteler. Ermordet in Peking Juni 1900
Klemens Freiherr von Ketteler. Ermordet in Peking Juni 1900

Da die kaiserliche Familie nach Singanfu floh, so galt es, mit Prinz Tsching und Lihungtschang, der erst am 17. September in Tianjin (Tientsin) eintraf, zu Friedensvereinbarungen zu kommen. Nachdem sich China über die Ansichten der kriegführenden Mächte genauer unterrichtet hatte, zogen sich die Verhandlungen sehr in die Länge. Diese Verzögerung ermutigte die Boxerpartei, den Ausländern auch weiterhin zu schaden, was seinerseits wiederholte Strafexpeditionen der Ausländer in die aufrührerischen Gebiete nach sich zog. Am schärfsten gingen die Russen in der Mandschurei gegen die Zerstörer ihrer Eisenbahn und die auf eigne Faust kämpfenden Bannerleute vor. Sie zerstörten Aigun und das Dorf Sahalien am Amur und errichteten, nachdem sie am 29. September auch die aus Peking herangezogenen Truppen verwenden konnten, in der ganzen Mandschurei eine provisorische Militärverwaltung. 

Graf Waldersee

Alfred Graf von Waldersee
* 08.04.1832 in Potsdam,
† 05.03.1904 in Hannover;
Generalfeldmarschall und Oberbefehlshaber in China 1900/01

Seit Eintreffen des Feldmarschalls Waldersee (27. September) machten die ihm unterstellten Deutschen, Japaner, Briten, Österreicher und Italiener und die im besten Einvernehmen mit ihnen vorgehenden Franzosen Streifzüge nach Pauting-fu im Süden (Oktober), Ho-ghu und Mi-yün-hsien im Norden und Nordosten und nach den Ming-Gräbern im Westen von Peking. Zugleich wurden von Tientsin aus Expeditionen, an denen sich auch die Russen wieder beteiligten, zur vollständigen Befriedung der Provinz Tschili unternommen. Die deutschen Truppen fochten in 18 Gefechten gegen reguläre chinesische Truppen, in 15 gegen Boxer. Die Verluste betrugen für die Marine 68 Tote, 130 Verwundete, für die Landtruppen 60 Tote, 134 Verwundete; durch Krankheiten und Unglücksfälle verloren die Marine 82, die Landtruppen 252 Mann, darunter die Generalmajore Yorck von Wartenburg und Groß von Schwarzhoff. In Lazarettbehandlung befanden sich (meist an Ruhr und Typhus) 8850 Mann; 823 wurden als dienstunfähig in die Heimat zurückgesandt. Unterm dem 10. Mai 1901 stiftete Kaiser Wilhelm II. eine „Denkmünze für die an den kriegerischen Ereignissen in Ostasien beteiligt gewesenen deutschen Streitkräfte“. 

China-Denkmünze 1900-01
China-Denkmünze 1900-01

Die Vorbereitungen zu einer umfassenderen Unternehmung veranlassten den chinesischen Hof, nun endlich im Februar 1901 die verlangten Strafurteile gegen die Hauptschuldigen zu erlassen.

Die Chinesische Namen
werden, soweit mir bekannt, in heutiger und in Klammern in zeitgenössischer Schreibweise genannt.

Ausführliche Beiträge zum Thema Boxeraufstand, der Krieg in China 1900/01

Bildergalerie

Quellenhinweise:

  • „Meyers Konversations-Lexikon“ in 24 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig und Wien 1906
  • „Meyers kleines Konversations-Lexikon“ in 6 Bänden 1908
  • „Meyers Lexikon“ in 12 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig 1924
Reichsadler 1889-1918

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